Körperorientierte Traumatherapie: Wenn das Gefühl verloren ging…
Meine allerliebste Lieblingskollegin Corinna Stübiger vom Heilraum in Eurasburg (bei Wolfratshausen) bat mich neulich um ein Schlüsselfragen Interview. Dem komme ich zu gerne nach, wollte ich doch schon so lange mehr über Traumatherapie erfahren.
Deine Arbeit ist geprägt von tiefem Respekt vor den schmerzvollen Phasen des Lebens. Mit sanften und einfühlsamen Körpertherapien begleitest du seelische Prozesse und führst Menschen in die Selbsterkenntnis. Was bewirkt körperliche Berührung auf seelischer Ebene?
Für mich ist es essentiell, bei der Behandlung und Therapie seelischer Prozesse den Körper in diese Heilarbeit einzubeziehen.
Es gibt ein sogenanntes Körper-Gefühlsfeld, über das sich die Seele ausdrückt.
Wir kennen das: Angst kann Herzrasen oder Durchfall machen, Kummer zeigt sich vieleicht in Magendrücken, oder manchmal ist es einfach nur ein „komisches“ Gefühl im Bauch, Brust oder Rücken.
Emotionen werden also normalerweise im Körper gespürt.
Nun ist es oft so, dass das Unterbewusste eines traumatisierten Menschen die Gefühle, besonders solche die mit dem Trauma verbunden sind, aus nachvollziehbaren Gründen abspaltet.
Der Betroffene trennt sich dabei konsequenterweise vom Körper. Das heißt, der Körper wird nicht mehr wirklich gespürt.
Das Körper-Gefühlsfeld wurde „weggesperrt“.
Schmerzvolle Erfahrungen, die nicht verarbeitet sind, halten sich meist hartnäckig in der Psyche und im Zellgedächtnis des Körpers. So lange, bis sie wahrgenommen werden.
Sie sind wie eingefroren, erstarrt, eingekapselt. Und es kostet enorme Kraft, diese Energie so eingeschlossen zu halten! Kraft, die dem Mensch damit nicht mehr zur Verfügung steht. Schließlich bilden solche Erstarrungen auch eine Blockade im Körper-Energie-System und im Fluss der Lebenskraft, sowie im Immunsystem.
Denn so ein Zustand bedeutet permanenten Stress im System. Dies wirkt sich mit der Zeit auf das körperliche Wohlbefinden aus, erst mit kleineren Beschwerden, dann mit immer stärkeren und irgendwann nicht mehr „überhörbaren“ Symptomen bis hin zu einem Krankheitsgeschehen. Die körperliche, sanfte und mitfühlende Berührung des Körpers kann diese Barriere erreichen, überwinden und wieder eine Verbindung zwischen Körper-Zellgedächtnis und Psyche-Seele schaffen.
Wenn dies geschieht, kommt ein Heilungsprozess in Gang. Was in Starre ist kann aufweichen, sich zeigen, sich verwandeln und idealerweise auflösen.
Ist es häufig so, dass den Menschen gar nicht bewusst ist, wie sehr sie noch immer unter vergangenen emotionalen Verletzungen leiden? Daß sie denken, sie hätten doch alles ausreichend bearbeitet? Ich stelle mir vor dass es hier immense Angst-Blockaden gibt, erneut in das zurückliegende Leid einzutauchen. Wie wichtig ist es für traumatisierte Menschen, den genauen Grund ihres Leidens zu erforschen?
Ja, mir begegnen viele Menschen, die den Mut hatten und haben, sich in einen Heilungsprozess zu begeben, Ursachen und Auslöser finden möchten, und schon viel ausprobiert haben, oft vergeblich. Die Menschen, die zu mir kommen, leiden noch immer.
Sie spüren, dass da noch „ETWAS“ ist.
Manche sind verwundert, dass „immer noch was vom alten, erlöst geglaubten Thema übrig ist“.
Dies kann damit zusammenhängen, dass manche Krankheit oder so manches Lebensthema mehr als nur eine einzige Ursache hat. Oft sind es ähnliche Themen, oder es sind verschiedene Ebenen betroffen (z. B. eigene oder übernommene Glaubenssätze, epigenetische Vererbung, Kollektivthemen).
Es kann aber auch sein, dass man unbewusst in alte Muster zurückfällt. Oder, dass man eben nicht an die wirklich tiefste Wurzel herangekommen ist.
Möglicherweise wurde einzig der Verstand in den Prozess einbezogen, ohne das zugehörige Gefühl dahinter. Dann kann es zwar zu einem Aha-Effekt kommen (Problem erkannt – Problem …. leider nicht gebannt), aber ohne die zugehörige Emotion fehlt ein wichtiger Aspekt im Heilungsprozess. Denn das Gefühl (Schmerz, Enttäuschung, Wut, Traurigkeit, Angst, Scham, Schuld) ist es ja letztlich, das in uns diese Blockade bewirkt.
Zur Frage ob man erneut voll in das Trauma eintauchen muß, gibt es unterschiedliche Ansichten.
Ich selbst bin, wie viele andere Kollegen auch, der Meinung, dass es unnötig ist, nochmal durch ein Trauma hindurchzugehen, weil u. a. die Gefahr einer Retraumatisierung besteht.
Die Angst, ein erinnerliches Trauma erneut zu fühlen, oder eines zu entdecken, das bisher erfolgreich verdeckt wurde, ist verständlicherweise groß. Meines Erachtens ist es nicht nötig, den genauen Grund im Detail zu analysieren. Es genügt schon, ansatzweise zu wissen, dass es diese leidvolle Erfahrung gab. Was bedeutete es zum damaligen Zeitpunkt für diesen Mensch, was hat es im Heute für Auswirkungen, und welche Ressourcen schlummern in ihm? Denn diese Ressourcen werden helfen, wieder voll ins Leben eintauchen zu können.
Wie gehst du vor, wenn du in der Behandlung den Verdacht bekommst, dass die Ursache sehr viel tiefer liegt als es augenscheinlich der Fall ist? Woran merkt man das eigentlich?
Ich gehe da sehr intuitiv vor. Dabei hängt es auch von verschiedenen Faktoren ab:
Welcher Mensch ist da vor mir?
Welche Geschichte hat er?
Was hat er mir erzählt?
Was ist sein Ziel?
Und ganz wichtig: Wie sind die Reaktionen des Körpers?
Wie verändert sich der Atem, die Augenbewegungen?
Manchmal kommen ganz plötzlich Tränen in unterschiedlicher Heftigkeit, weil durch die Berührung des Körpers auch etwas in der Tiefe berührt wurde. Als ob eine Erinnerung oder ein eingesperrtes Gefühl reaktiviert wird.
Dann weiß ich: hier sind wir richtig.
Es ist, als ob der Prozess eine gewisse Dynamik bekommt. Die Seele und das Hohe Selbst (oder die innere Weisheit) führt uns auf genau den richtigen Weg. Manchmal kann der Damm regelrecht brechen. In jedem Fall bin ich da, um zu halten, und gebe den sicheren Rahmen und Raum dazu.
Wenn ich den Verdacht habe, dass die Ursache sehr viel tiefer liegt bzw. auf einer ganz anderen Ebene, dann spreche ich das offen an. Alle Impulse und inneren Bilder, die ich empfange, muss ich (mit)teilen. Ganz behutsam.
Kommen auch Menschen zu dir, die einfach „nur“ das Sanfte und Mütterliche deines Wesens benötigen, um wieder heil zu werden? Vielleicht weil sie es aus ihrer eigenen Kindheit vermissen, oder einfach mal „nur“ gehalten und angenommen sein wollen?
Entspringt daraus der nährende Grundstock deiner Therapie-Angebote, der ein „Tiefer gehen“ erst möglich macht?
Das ist eine schöne Frage. Ich denke, das Sanfte und Mütterliche, das „Nährende“, ist tatsächlich ein wichtiger Teil von mir und meiner Arbeit. Ich habe schon unzählige Male von Patientinnen gesagt bekommen, dass ihnen gerade dieses nährende Prinzip so unbeschreiblich gut tut.
So viele Male habe ich tiefes Durchatmen erlebt, Berührt-sein, bis hin zu Tränen, weil das Umarmende, Anerkennende, das sanfte Berühren und Wiegen, und liebevolle Worte einfach so sehr gebraucht wurden. Ganz unbewusst. Es wurde in der Kindheit, oder auch im Erwachsenalter, oft schmerzlich vermisst.
Dadurch entsteht großes Vertrauen.
Und auch das wurde mir schon so oft gesagt: dass vieles, was in diesem geschützten Raum gesagt, gefühlt und bewusst werden konnte, noch nie zuvor Ausdruck gefunden hat. Manchmal sind sie selbst erstaunt darüber.
Mich ehrt und freut es sehr.
Ich kenne dich als einen sehr emotionalen Menschen. Wie gehst du mit den Geschichten deiner Klienten um?
Wie berührt bist du selbst bei deiner Arbeit und wie distanzierst du dich, wenn die Menschen wieder weg sind?
Ja, ich bin sehr emotional (immerhin bin ich astrologisch 3-faches Wasser).
Ich fühle sehr mit. Und ich kann vieles verstehen und nachempfinden, weiß meistens genau, was gemeint ist.
Auch kann ich die Gefühle und damit verbundenen Themen „sehen“, ohne selbst in diese Emotionen einzutauchen. Sie sind eher wie eine Art Information da. Dabei ist es mir gut möglich, eine gesunde Grenze zu wahren. Hin und wieder habe ich schon auch mal Tränen in den Augen.
Aber der professionelle Umgang mit Distanz und Nähe ermöglicht erst diese ungeteilte Aufmerksamkeit, das genaue Zu- und Hinhören. Meine Präsenz, und der schützende und haltende Raum, den ich geben kann, ist für meine Klienten extrem wichtig. Das ist tatsächlich eine große Stärke von mir.
Ich bin „der Fels“ in der Brandung. Ich bin da, um zu halten.
Das kann ich und dafür bin ich dankbar.
Wenn die Menschen wieder gegangen sind, entlasse ich sie mit einem kleinen Ritual, gedanklich und energetisch aus diesem gemeinsamen Heil-Raum in ihren eigenen Raum zurück. Ich reinige mich von aufgenommenen Energien und bedanke mich abschließend. Ich nehme nichts von alldem mit nach Hause, wenn ich die Praxis verlasse.
Ein Teil deiner Arbeit ist außerdem das Leiten von Seminaren. Auf deiner Webseite schreibst du: „Die angebotenen Seminare richten sich an alle, die mit und für Menschen im Gesundheitsbereich arbeiten.“
Das FÜR gefällt mir so gut – denn ich denke, gerade Therapeuten brauchen auch immer wieder Menschen, die sich um sie kümmern.
Wie gut sorgst du für dich selbst? Was nährt dich?
Und würde es Sinn machen einen eigene Zielgruppe zu definieren „Therapie für Therapeuten“…nur mal so hingedacht…
Dieses „FÜR“ bezieht sich darauf, dass Therapeuten ja nicht nur MIT Menschen arbeiten, sondern in erster Linie FÜR sie und ihr Wohlbefinden. Beides ist wichtig. Denn der Mensch, der sich mir anvertraut, darf auch MITarbeiten.
Doch, du hast natürlich Recht: Auch Therapeuten brauchen Auszeiten und ein liebevolles Kümmern.
Gott sei Dank habe ich in meiner Umgebung einige wunderbare Kollegen mit den unterschiedlichsten Methoden und Fähigkeiten. Die nehme ich gerne in Anspruch. Ich liebe es, mich in pulsende, fühlende, bewegende Hände zu begeben.
Oder auch mal ein Thema in einer systemischen Aufstellung, oder durch Kartenlegung klären zu lassen.
Außerdem meditiere ich viel. So komme ich in eine tiefe Ruhe, und finde Antworten im Kontakt mit meiner inneren Weisheit.
Therapie für Therapeuten – ein interessanter Gedanke! Danke für diesen Impuls.
Du bist deutschlandweit eine der wichtigsten Ausbilderinnen für Holistic Pulsing, eine Behandlungsmethode, die den Körper über rhythmische Schwingungen und Impulse in tiefste Entspannung bringt und seelische Prozesse anstoßen kann. Jetzt möchtest du damit aufhören und planst etwas ganz Neues: Integratives Heilpulsen.
Was ist daran anders? Hat es sich ausgepulst?
Ich habe Holistic Pulsing – Seminare viele Jahre gegeben, weil ich diese Methode wunderschön und effektiv in ihrer Leichtigkeit finde, und ich wünsche mir sehr, dass das Pulsing noch bekannter wird. Es gibt hier im Süden Deutschlands und im Saarland inzwischen doch einige, die ebenfalls Holistic Pulsing ausbilden. Einige meiner Seminarteilnehmer arbeiten intensiv mit Holistic Pulsing und ich hoffe, auch sie geben das irgendwann im Rahmen von Seminaren weiter. Vor einiger Zeit hatte ich das Gefühl, dass ich mehr zeigen und lehren möchte, was ich selbst auch praktiziere:
Eine Synergie aus Elementen des Pulsings, der Craniosacralen Heilarbeit, der Seelenreise und der inneren Körperreise. Außerdem das parallel stattfindende Gespräch und das energetische Heilen.
Während der Pulsing-Seminare habe ich immer öfter das Gefühl gehabt, dass weitere Techniken wichtig und noch effektiver sind.
Mir geht es um das Erspüren und ausdrücken, was da erspürt wird.
Es ist ein noch tieferes Eintauchen und eine stärkere Seele-zu-Seele-Verbindung zwischen dem Behandler und dem Heilsuchenden, die einen gemeinsamen Heilprozess ermöglicht.
Integratives Heilpulsen nenne ich es deshalb, weil genau das geschieht: Blockaden (Glaubenssätze, Denk- und Verhaltensmuster, äußere und innere Schmerzen, energetische Narben, etc.) werden aufgespürt, erkannt, gewandelt und gelöst. Verborgene oder verdrängte Potentiale und Ressourcen, die durch den Heilprozess wieder entdeckt und befreit werden, werden in das System des Menschen re-integriert.
Es geht weiter, als „nur“ zu pulsen, weil hier auch bewusste Seelenarbeit geleistet wird. Und zwar gemeinsam: vom Therapeuten wie auch vom Klienten.
Du hast dich mit deinem Wirken immer mehr in Richtung seelische Traumata weitergebildet.
Bist du nun dort wo du sein wolltest, oder schlummern da noch weitere Fernziele in dir?
Lange war es mir gar nicht so bewusst, dass in meiner Arbeit auch Traumaarbeit geschieht. Das kam schleichend. So habe ich mich zunehmend mit Trauma und Traumatherapie beschäftigt und mir wurde klar, dass das, was Menschen in meine Praxis führt, eher die subtilen, verborgenen und unbewussten traumatischen Erfahrungen sind, die man Entwicklungstraumata und Bindungstraumata nennt.
Ich habe Visionen!
Von einer Praxisgemeinschaft oder einer Art gemeinsamem Heiler-Haus. Zusammen mit Kolleginnen, die ebenfalls das Ziel haben, immer mehr Menschen auf ihrem und durch ihren Heilungs- und Entwicklungsprozess zu begleiten. Die Impulse geben möchten, die berühren, bewegen, beraten. Die intuitiv sind. Die auch lehren.
Ich wünsche mir, dass sich so etwas Gemeinsames entwickelt, und wo auch das zwischenmenschliche wundervoll passt.
Und ich wünsche mir, dass sich mehr und mehr Menschen öffnen und ihrer inneren Sehnsucht lauschen. Für sie bin ich dann von Herzen gerne da. Im Moment bin ich da, wo ich jetzt sein kann, und das ist gut so.
Mein Weg geht natürlich weiter und ich bin gespannt, was mir noch alles begegnen wird.
Nein, fertig bin ich noch lange nicht. Da ist eine tiefe Sehnsucht in mir, die mich weitergehen lässt. Für mich gilt das, was ich vorher gesagt habe, ebenfalls: Ich möchte mein volles Potential entdecken.
Vom Heilraum in ein Heilhaus – eine wunderschöne Vorstellung.
Ich bin sofort dabei!
Liebe Corinna, das war wirklich höchst interessant, und ich danke dir sehr für Dich und die wunderbare Arbeit die du anbietest.